Buchkritik -- Gary Victor -- Dreizehn Voodoo-Erzählungen

Umschlagfoto, Buchkritik, Gary Victor, Dreizehn Voodoo-Erzählungen , InKulturA Gary Victor, der mit Inspektor Dieuswalwe Azémar im globalen Literaturwettstreit um die kauzigste Ermittlerfigur auf alle Fälle einen der ersten Ränge einnimmt, kann nicht nur Krimi, sondern ist auch ein Meister der Kurzgeschichte, und wer anderes als der versoffen-geniale Azémar könnte die „Dreizehn Voodoo-Erzählungen“ einleiten? Der musste sich in einem seiner ersten Fälle gleich um die Aufklärung einer Mordserie kümmern, deren Opfer schlichtweg zu Brei gestampft wurden. Ob darin vielleicht der Grund für seine lebenslange Vorliebe für Tranpe, für Zuckerrohrschnaps liegt?

Hier, wie auch in den folgenden Erzählungen geht es natürlich, alle spielen ausnahmslos auf Haiti, nicht mit rechten Dingen zu. Verwoben in einen, jeweils individuell unterschiedlich, ohnehin problematischen Alltag aus Armut, Karrieregeilheit, kriminellen Neigungen, politischer Repression und, wie in „Ein Uhr Siebzehn“, ausländischer Ignoranz gegenüber den Warnungen Einheimischer, entsteht ein fatales Netz aus Abläufen, die, einmal in Gang gesetzt, für die Beteiligten ein schlimmes Ende haben.

Es ist einmal mehr das Spiel des Autors mit den fließenden Grenzen zwischen Realität, Wahn und der Macht des Glaubens an das Übernatürliche, an die Kräfte des Bòkò, des Hexers und dessen Madichon, seinem Fluch. Gary Victor macht daraus Geschichten, die sowohl tief in die haitianische Seele blicken lassen als auch beim Leser durch die skurrile Irrealität der Abläufe und Handlungen für schallendes Lachen sorgen.

Darf man angesichts praktiziertem, jedoch nicht bewusstem Kannibalismus Komik empfinden? Ist es statthaft, sich angesichts eines bestialischen Doppelmords mit anschließender illegaler Inbesitznahme eines Ringes mitsamt Finger das Lachen nicht verkneifen zu können.? Natürlich, denn Victor demaskiert mit seinen Erzählungen menschliches, allzu menschliches Treiben, das zur Realisierung bestimmter Ziele, sei es ein Karrieresprung oder schnöde materielle Bereicherung zu allem bereit ist.

Die vom Rezensenten - der sich dadurch ungeniert als „dirty white old man“ outet - favorisierte Geschichte dieses Bandes ist ohne Frage „Die Zunge“. Gary Victor at its best.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 26. August 2018