Wer aktuell das Wagnis einer Hitler-Biographie unternimmt, muss sich an Vorgängern wie Alan Bullock, Werner Maser, Joachim Fest und Ian Kershaw messen lassen. Um es gleich vorweg zu sagen, Volker Ullrich braucht sich mit seinem Werk "Adolf Hitler. Die Jahre des Aufstiegs 1889 - 1939" keineswegs hinter diesen zu verstecken, findet er doch in seiner groß angelegten Biographie einige bislang kaum beachtete Wesenszüge des Diktators.
Hitler als Privatperson - geht das angesichts seiner mörderischen Antriebskräfte überhaupt? Darf ein Autor, und Ullrich macht das ausgiebig, den Diktator als einen Menschen und Politiker schildern, der erst spät seinen Judenhass entdeckt hat, der also nicht, wie andere Autoren plakativ voraussetzen, bereits sehr früh die Personifizierung des Bösen darstellte, sondern für den das Ressentiment gegenüber dem jüdischen Leben in Deutschland sich im Rahmen dessen bewegte, was, wir reden vom frühen 20. Jahrhundert, zu dieser Zeit gesellschaftlich akzeptabel gewesen ist.
Volker Ullrich gelingt es, die Person Hitler in das gesamtgesellschaftliche Gefüge einzubauen und vor allen Dingen ihn als Menschen und nicht als Abstraktion und Projektion nachhistorischer Befindlichkeiten zu schildern.
Adolf Hitler, auch im 21. Jahrhundert noch immer Garant für gute Umsätze in der Buch-und Filmbranche, ist durch die Arbeit Ullrichs ein wenig entdämonisiert worden. Das ist gut, denn entgegen anders lautenden Überlegungen ist der Diktator keineswegs als teleologisches Substrat eines übergreifenden Volkswillens oder gar als Schachfigur auf dem Brett der Geschichte zu verstehen, sondern als gewieftes Individuum, das es verstand, die politische Situation zu seinen Gunsten auszunutzen. Dass sich daraus ein fürchterliches System entwickelte, lag zu Beginn der politischen Karriere Adolf Hitlers weit außer Betracht.
An den historischen Fakten kommt auch Volker Ullrich nicht vorbei und so ist der wirkliche Mehrwert dieser Biographie dann auch so groß nicht. Die historische Forschung über die Person Hitlers ist, man darf es sagen, so gut wie abgeschlossen und es verwundert nicht, wenn auch Ullrich nichts wesentlich Neues zur Kenntnis bringt.
Hitler war nicht, so ein Fazit von Volker Ullrich, der typische Psychopath, sondern ein Virtuose der Verführung und der Manipulation. Aus diesem Grund kann auch diese Hitler-Biographie nur eine Annäherung an das Phänomen Adolf Hitler sein.
Der Autor, und das ist das eigentlich Neue an seiner Hitler-Biographie, bedient sich ausführlich der erst seit wenigen Jahren vorliegenden Tagebücher von Joseph Goebbels, die den politischen Zeitgeist der frühen NS-Diktatur einmal mehr unterstreichen.
Das angesprochene Lesepublikum von "Adolf Hitler. Die Jahre des Aufstiegs 1889 - 1939" aus der Feder von Volker Ullrich dürfte eher der historisch interessierte Leser sein und weniger der professionelle Historiker.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 15. Januar 2014