Buchkritik -- Harald Seubert -- Was wir wollen können

Umschlagfoto, , InKulturA Wenn eine Partei wie die Grünen für sich in Anspruch nimmt, die neue bürgerliche Mitte zu vertreten, dann läuft etwas grundlegend falsch in unserem Land. Die "neue Mitte", die, fast wie um den Bürger zu verhöhnen, auch alle anderen im Bundestag vertretenen Partei meinen zu repräsentieren, ist zum Schlagwort, zu einer begriffslosen Hülle mutiert, die nur eines mit Gewissheit zeigt: Die Vorstellung von bürgerlicher Identität und damit auch das Verständnis des Konservativen bedarf einer dringenden Neubestimmung.

In immer schnellerer Folge fallen, gerade auch vom ehemals konservativen Milieu initiiert, einst bestimmende Leitbilder der Gesellschaft. Ehe und Familie, die Grundpfeiler jedes funktionierenden Staates, sind längst sturmreif geschossen. Die Staatsverschuldung übersteigt jedes vernünftige Maß und hinterläßt den kommenden Generationen ein schweres Erbe. Die demographische Entwicklung, übrigens seit Jahren bekannt, zeigt ein trübes Bild der Zukunft, dessen Bedrohlichkeit nur noch von den politischen Sprechblasen der herrschenden Eliten bezüglich des dringend benötigten Zuzugs ausländischer Bürger übertroffen wird.

Es ist also höchste Zeit innezuhalten und eine Positionsbestimmung vorzunehmen. Bereits im Jahr 2011 hat der Philosoph Harald Seubert ein Buch veröffentlicht, dessen Ziel es ist "Bürgerliche Identität im 21. Jahrhundert" zu verorten und die Aufgabe des Konservativen, dessen Bedeutung der evangelische Theologe Eugen Gerstenmaier einmal so formuliert hat: "Konservativ sein heißt nicht, am Vergangenen zu hängen, sondern aus dem immer Gültigen zu leben." neu zu bestimmen, ja sie überhaupt erst einmal wieder neu zu entdecken.

"Was wir wollen können", so der Titel des Buches, ist ein groß angelegter Rückblick auf die europäische Denktradition, die, ausgehend von der griechischen Antike, mit dem christlichen Glauben überhaupt erst die Grundlage der bürgerlichen Freiheit geschaffen hat. Gerade in diesem historischen Kontext wird deutlich, wie orientierungslos, ja wie abgeschnitten von unseren philosophisch-religiösen Wurzeln der aktuelle Zeitgeist irrlichtert und sich selbst als Avantgarde einer kommenden Weltzivilisation feiert, die wie besessen daran arbeitet, einstmals grundlegende Werte zugunsten der begiffsleeren und diffusen Vorstellung der "neuen Mitte" abzuschaffen.

Harald Seubert zeigt vollkommen zu Recht das große Versagen der konservativen Kräfte hinsichtlich des "Marsches durch die Institutionen" der Alt68er. War bereits das Wüten des Nationalsozialismus eine Abkehr vom griechisch-christlichen Geist, so vollzog die 68er Generation, die Nachkriegsintellektuellen, den vollständigen Bruch mit unseren historischen Wurzeln.

Die Angriffspunkte dieser, wie Harald Seubert es ausdrückt, Kulturrevolution waren neben der Familie, das Bildungssystem und die Kirche. Durch massive Eingriffe, deren ganzes Ausmaß erst heute sichtbar wird, wurde die Struktur der Gesellschaft dermaßen verändert, dass, wer sich dagegen zur Wehr setzen will, heute als Feind der Demokratie oder gar als rechtsextrem verunglimpft wird. Der Siegeszug der 68er war total. Das kann und darf die konservativen Kräfte jedoch nicht davon abhalten, ihre Stimmen zu erheben. Bürgerliche Freiheit resultiert aus einer langen europäischen Geistestradition, die es gilt wiederzuentdecken und zu beleben. Das der Konservative dadurch ins Visier der herrschenden Eliten gerät ist evident.

Eben diese, die die veröffentlichte Meinung bestimmen, die die "Lufthoheit über die Kinderbetten" (Olaf Scholz) für sich beanspruchen und die (noch) die Deutungshoheit politischer Begriffe innehaben, haben augenscheinlich noch nicht realisiert, dass die von ihnen an den Rand der (deutschen) Gesellschaft gedrängte Religion bereits wieder in nahezu allen Ländern der Erde ihre Positionen zurückerobert. In Deutschland wie auch im gesamten Europa drängt der Islam mit Macht in das Vakuum, das die direkte Folge des 68er Materialismus ist. Ironischerweise, besser ausgedrückt tragischerweise, fühlen sich ausgerechnet diejenigen, denen das Christentum als Manifestation des Ewiggestrigen gilt, dazu berufen, die religiöse Freiheit eines militant auftretenden Islam zu verteidigen...

Konservativ zu sein, ist die einzige Möglichkeit, den Zug der Zeit, der in die falsche Richtung fährt, zu stoppen. Eine Rückbesinnung auf unsere kulturellen, philosophischen und religiösen Wurzeln ist dringend geboten, denn wir uns tragen bereits heute die Verantwortung für die uns folgenden Generationen.

Der politische Kampf der unmittelbaren Zukunft wird der um die bürgerliche Identität sein. Und die ist entweder eine freie oder gar keine. "Was wir wollen können" von Harald Seubert ist für jeden daran Interessierten eine profunde Argumentationshilfe gegen den herrschenden Zeitgeist.




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